"Normale Kriminalität lässt sich vorhersagen"

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Der spanische Polizeiinspektor Miguel Camacho Collados hat für seine Dissertation ein Programm entwickelt, das die Arbeitslast eines Kommissariats für die kommende Schicht vorhersagt und die Polizeikräfte optimal einsetzt.

TR: Kann der Computer vorhersagen, wie hoch die Kriminalität in einem Stadtteil in den kommenden acht Stunden sein wird?

Miguel Camacho Collados: Es lässt sich nicht alles kalkulieren. Zum Beispiel wenn eine Bande Autodiebe von außerhalb kommt und plötzlich in einem Viertel agiert. Aber die normale Kriminalität lässt sich vorhersagen. Wir kennen die Tendenz eines Stadtteils dank einer Studie, die drei Jahre lief. Wir wissen, welche Delikte üblicherweise zu verzeichnen sind und wo. Das alles bildet die Grundlage für unsere Vorhersage, und damit können wir unsere Kräfte sinnvoll einsetzen.

Sind die Kriminalitätsrate und die Art der Delikte in einem Stadtteil denn stabile Faktoren?

Ja, wenn wir alle zeitlichen und örtlichen Parameter heranziehen, die wir haben. So können wir zum Beispiel analysieren, wie sich die Kriminalität je nach Jahreszeit oder je nach Wochentag darstellt. Und wir wissen auch, wie sich die Kriminalität zur Zeit von Großveranstaltungen verändert. So etwas gibt es ja schon länger. In Deutschland etwa bietet das Institut für musterbasierte Prognosetechnik ein Programm namens Precobs an, um Einbrüche zu verhindern.

Das Neue an unserem Programm ist neben der Vorhersage der optimierte Einsatz der zur Verfügung stehenden Kräfte. In die Formel fließen das zu patrouillierende Gebiet ein, das Risiko, die Ausdehnung, ob es notwendig ist, dass sich mehrere Streifenwagen gegenseitig unterstützen. Wir führen Statistik, Vorhersage und den operativen Einsatz zusammen.

Wenn ich das weiß, kann ich dann nicht genau dort ein Verbrechen verüben, wo die Polizei nicht ist?

Wenn es den Bösen in die Hände fällt… Klar, es gibt Punkte in der Stadt, wo wir durch unsere Präsenz vorbeugen. Dadurch kann es geschehen, dass Verbrechen in andere Gebiete abwandern. Doch in der nächsten Schicht wird das bereits mit eingerechnet.

Ihr Programm scheint wie gemacht für Personaleinsparungen.

Die Idee kam mir tatsächlich, als die ersten Kürzungen angekündigt wurden. Weniger Personal heißt ja nicht weniger Arbeit. Deshalb versuche ich, mit dem Programm den Einsatz zu optimieren.

Wie wurde das Programm von den alten Hasen aufgenommen, die ein Viertel in- und auswendig kennen?

Sehr positiv. Meine Kollegen sind daran gewöhnt, wissenschaftliche Methoden zu nutzen. Der alte Hase ist übrigens weiterhin notwendig. Ohne Erfahrung vor Ort geht gar nichts ? auch nicht mit dem besten mathematischen Programm.

Wie werden die Informationen an die Polizisten weitergegeben?

Zu Beginn jeder Schicht findet eine Lagebesprechung statt. Hier kommt das Programm zum Einsatz. Innerhalb von nur einer Minute stellt es grafisch dar, was wo zu erwarten ist und wie viele Beamte wir brauchen. (Reiner Wandler) / (bsc)

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