Auf scheinbar brandneuen USB-Sticks befinden sich häufig bereits alte Daten, die sich zum Teil noch auswerten lassen. Der Grund: Unzureichend recyclete Flash-Speicher aus alten Smartphones.

Elektronik-Recycling bringt manche Überraschung mit sich. Auf fabrikneuen USB-Sticks sind häufiger alte Daten zu finden. Das hat sogar Auswirkungen auf die Beweisführung in Prozessen.

Viele Kriminalbeamte und Staatsanwälte stehen vor einem Problem: Auf USB-Sticks sichergestellte Fotos und Dokumente können nicht mehr ohne weiteres als Beweismaterial in einem Gerichtsprozess verwendet werden. Zu oft sind auf fabrikneuen USB-Sticks nämlich alte Daten. Und von denen ahnt der Besitzer des USB-Sticks nicht einmal etwas.

Es passierte im Herbst 2016 in Stockholm: Ein schwedischer Laptop-Besitzer machte eine erstaunliche Entdeckung. Auf dem USB-Stick mit den Hochzeitsbildern seiner Tochter war unter anderem auch der Führerschein eines chilenischen Staatsbürgers zu sehen. Der chilenische Führerscheinbesitzer konnte aber diesen USB-Stick ganz bestimmt nicht in seinen Händen gehabt haben. Denn der Stick war fabrikneu. Der Laptop-Besitzer erzählte in seinem Bekanntenkreis von diesem seltsamen Datenfund.

Auf diese Weise hörte auch Martin Westman, Speicherexperte und digitaler Forensiker beim Stockholmer Sicherheitsunternehmen MSAB, davon. Er forschte nach, was dahintersteckt. Die Lösung: Bei der Produktion von USB-Sticks werden alte Smartphone-Speicherchips recycelt. Und so gelangen Daten von alten Handys auf die fabrikneuen USB-Sticks.

Es wäre schade, die Elektronik zu verschrotten

Zur selben Zeit beschäftigte sich auch Aya Fukami von der National Police Agency Japan mit diesem Phänomen. Sie kam zum selben Schluss wie Martin Westman. Beide haben darüber kürzlich auf einer internationalen Forensiker-Tagung in Überlingen berichtet. “Es ist klar nachweisbar, dass die Daten von wiederverwendeten Speicherchips stammen, die zuvor in Smartphones eingebaut waren”, berichtet Aya Fukami. Sie und Kollegen konnten das anhand der Seriennummern der Chips zurückverfolgen.

Smartphones werden in der Regel nach zwei bis drei Jahren gegen neue Modelle ausgetauscht. Aber die Prozessoren, Speicherchips und Controller sind noch völlig in Ordnung. Es wäre also schade, die Elektronik zu verschrotten. Deshalb kaufen Hersteller von USB-Sticks die Speicherchips für wenig Geld auf, die zuvor in Smartphones steckten. So gelangen Daten von alten Smartphones in fabrikneue USB-Sticks.

Das müssten Staatsanwälte, Ermittlungsbeamte und externe digitale Forensiker bei ihren Ermittlungen viel stärker berücksichtigen, fordert Professor Holger Morgenstern. Sie können nicht mehr sicher sein, dass auf einem USB-Stick gefundene Bilder und Dokumente auch wirklich vom Besitzer des Sticks stammen. Deshalb reicht zum Beispiel beim Fund von kinderpornographischem Material die bisher oftmals vorgetragene forensische Indizienkette nicht mehr aus.

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