Merkel glaubt, ihre Regierung habe in den letzten Wochen “einiges erreicht”
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern in seiner Regierungserklärung im Bayerischen Landtag dazu aufgefordert, mit einer “Äußerung für die Weltöffentlichkeit” dafür zu sorgen, dass sich der Zustrom von Asylbewerbern deutlich verringert.
Merkel hatte im September durch Sätze wie “das Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenze” und “Wir schaffen das”, durch die Aussetzung des Dublin-III-Abkommens (das die Rückführung von Asylbewerbern vorsieht, die über sichere EU-Länder nach Deutschland kommen) sowie durch die Bereitstellung von Sonderzügen für Asylbewerber, die über solche Länder einreisten, in Afrika und dem Orient den Eindruck erweckt, dass es in Deutschland keine staatlichen Einreisebeschränkungen mehr gebe.
Das führte zu einem deutlichen Anstieg der Asylbewerberzahlen ? alleine für das Jahr 2015 werden nun bis zu 1,5 Millionen erwartet. Weil den auf den Ansturm nicht vorbereiteten Gemeinden Unterkünfte, aber auch Lehrer, Verwaltungskräfte, Polizisten und andere Integrationshelfer fehlen, verlangt Seehofer von Merkel nicht nur Worte, die in den in der Dritten Welt genutzten Sozialen Netzwerken ankommen, sondern auch nur “Taten” und “klare Handlungen” – denn “für die Zuwanderung und ihre Grundlagen” sind seinen Worten nach nicht die Länder, sondern “alleine der Bund” zuständig. Damit spielt er offenbar auf seine bis jetzt wirkungslos gebliebene Ankündigung an, Asylbewerber an den Grenzen nach Österreich zurückzuweisen oder direkt in andere Bundesländer weiterzuleiten.
Setzt die Politik der Zuwanderung keine Grenzen, dann wird der Wähler Seehofers Ansicht nach der Politik Grenzen setzen. Darauf, dass dem tatsächlich so sein könnte, deutet eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hin, der zufolge die Zahl der Bürger, die Angela Merkels Parole “Wir schaffen das” zustimmen, von 43 auf 32 Prozent sank. 64 Prozent sind jetzt explizit anderer Ansicht. Besonders bemerkenswert ist, dass inzwischen sogar unter den Anhängern der Grünen eine Mehrheit von 51 Prozent eine Überforderung vorliegen sieht. Merkels Aussage, dass ein Aufnahmestopp aufgrund der innerhalb der EU offenen Grenzen nicht funktionieren würde, stimmt eine Mehrheit von 54 Prozent der Deutschen nicht zu. Unter den Anhängern der Linkspartei sind es sogar 58 Prozent.
Merkel selbst meinte in ihrer eigenen Regierungserklärung gestern, eine “Abschottung” sei für sie “in einer digitalisierten und globalisierten Welt eine Illusion und keine Alternative”. Nach ihrer Rede verabschiedete der Bundestag mit 475 Ja- zu 68 Nein-Stimmen und 57 Enthaltungen ein Maßnahmenpaket, das Sachleistungen statt Bargeld, die Streichung von Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber, Integrations- und Sprechkurse für Asylbewerber mit Bleibeperspektive und zusätzliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau vorsieht. Experten halten diese Mittel aber für nicht annähernd ausreichend, um den aktuell geschätzten Bedarf von vier- bis fünfhunderttausend neuen Wohnungen jährlich zu decken (vgl. Baurecht entrümpeln).
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sieht darüber hinaus einen erheblichen Bedarf für neue Lehrer, weil die Schulen mit einer sechsstelligen Zahl an zusätzlichen Schülern rechnen müssen, die kein Deutsch sprechen. Damit der Bund die Länder auch bei dieser Aufgabe entlasten kann, plädiert er für eine Grundgesetzänderung.
Probleme mit Asylbewerbern gibt es aber nicht nur im Zusammenhang mit Schulen, sondern auch in der dualen Ausbildung. Das machte Lothar Semper, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer München und Oberbayern gestern bekannt. Den Zahlen seiner Kammer nach liegt die Abbrecherquote bei Zuwanderern aus Afghanistan, Syrien und dem Irak zwei Jahre nach Beginn einer Lehre bei etwa 70 Prozent, während insgesamt nur ungefähr 25 Prozent der Lehrlinge aufgeben. Neben sprachlichen Schwierigkeiten sind ihm zufolge vor allem falsche Vergütungserwartungen der Asylbewerber die Ursache dafür: Vielen war offenbar nicht bewusst, dass man während einer Lehre zwar arbeiten muss, aber zwei oder drei Jahre lang nur wenig verdient (vgl. Ausbildungsverkürzung für Flüchtlinge?).
Ohne Lehre, Studium oder andere Ausbildungmaßnahmen ist den Schätzungen der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zufolge jedoch weniger als ein Zehntel der Asylbewerber in den deutschen Arbeitsmarkt integrierbar. Der Freiburger Finanzwissenschaftsprofessor Bernd Raffelhüschen erwartet sich deshalb von der vom Chefvolkswirt der Deutschen Bank begrüßten Massenzuwanderung keine Lösung von Demographieproblemen, sondern vielmehr “massive Steuererhöhungen”.
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