Demokratiegefahr Internetwahl?

(John Keane / Flickr / cc-by-sa-2.0)

In immer mehr Ländern wird erwogen, die Bürger online abstimmen zu lassen. Experten warnen, dass so das Wahlgeheimnis gefährdet ist.

Sicherheitsforscher haben schon häufiger auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass elektronische Wahlsysteme von Hackern angegriffen werden können. Doch das ist nicht die einzige Gefahr durch neue digitale Abstimmungsverfahren. Auch das Wahlgeheimnis ist akut bedroht. Zu diesem Schluss kommt zumindest die amerikanische Bürgerrechtsorganisation Verified Voting, die sich für freie und transparente Wahlen einsetzt.

In ihrem jüngsten Bericht schreiben die Experten der Gruppe, es sei technisch nahezu unmöglich, geheim im Internet zu wählen. Dabei ist genau das ein Grundstein der Demokratie: Das Wahlgeheimnis soll Bürger davor schützen, vom Staat oder dritten Personen in ihrem Abstimmungsverhalten beeinflusst zu werden.

Laut Verified Voting sind die technischen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Durchführung öffentlicher Wahlen aber so groß, dass es bei Abstimmungen per Internet sehr schwer ist, Stimme und Wahlbürger voneinander zu trennen. Der Report wurde in Zusammenarbeit mit den Netzbürgerrechtlern vom Electronic Privacy Information Center (EPIC) und der Antikorruptionsbewegung Common Cause verfasst.

In den USA erlauben mittlerweile 32 Staaten und der District of Columbia mit der Hauptstadt Washington die Abgabe von Stimmen per E-Mail, über an das Internet angeschlossene Faxgeräte oder Webportale. In den meisten Fällen sind diese Optionen derzeit auf Personen beschränkt, die im Ausland leben oder im US-Militär dienen. Utah erlaubt die neuen digitalen Wahlverfahren auch Menschen mit Behinderungen, in Alaska darf jeder über ein Webportal abstimmen.

Wird die Wahl per Internet durchgeführt, lassen sich die Identität des Wahlberechtigten und die Stimme selbst nur schwer voneinander trennen, sagt Pamela Smith, Präsidentin von Verified Voting. Der Grund: Der Server muss zunächst die Person des Wählers kennen, um ihn zu authentifizieren und die Stimme als abgegeben zu zählen. Bei den aktuell in den USA eingesetzten Systemen erfolge “die Authentifizierung derzeit zur gleichen Zeit mit der Stimmabgabe”, so Smith. Das sei problematisch. In einem früheren Experiment wurden den Wählern PIN-Codes gegeben, doch Hacker, die mit den Verified-Voting-Experten zusammenarbeiteten, konnten sie ermitteln und dann wieder mit den Wahlberechtigten in Verbindung bringen.

Nicht, dass der langsame Tod der geheimen Wahl dem Gesetzgeber unbekannt wäre. In 20 der betroffenen US-Bundesstaaten gibt es Verordnungen oder Gesetze, die vom Bürger verlangen, sein Recht auf eine geheime Wahl aufzugeben, wenn per Internet abgestimmt wird. In acht Staaten erfordern das der jeweilige Innenminister (Secretary of State) oder die Wahlbehörde, ohne dass es dafür überhaupt eine gesetzliche Grundlage gäbe. In Washington, Idaho, North Dakota und Mississippi werden die Wähler nicht explizit gewarnt, dass sie ihr Wahlgeheimnis aufgeben. In Montana gibt es ein Gesetz, das vorschreibt, dass auch die Internetwahl geheim sein muss ? doch das ist eben technisch derzeit schlicht nicht möglich.

Smith meint, der Trend hin zum Wählen per Internet könnte zu einer “Erosion des Wahlgeheimnisses” führen. “Fast jeder Staat hat eine Vorschrift, dass die Wahl geheim ist. Wollen sie nun Internetwahlen erlauben, müssen sie einen ‘speziellen Raum’ schaffen, in dem diese Vorgabe nicht mehr gilt.”

Alaskas Gesetzgeber agiert dabei besonders tückisch. Dort heißt es, dass Internetwähler nicht nur ihr Wahlgeheimnis verlieren, sondern auch noch selbst das Risiko tragen müssen, falls bei der Datenübertragung etwas schiefgeht. “Stellen Sie sich vor, man bekäme in einem Wahllokal eine ähnliche Warnung präsentiert. Wie kann man ein Wahlsystem so aufbauen? Das ist einfach nicht richtig”, so Smith. (Mike Orcutt) / (bsc)

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