Neben der Arbeit an Reaktoren der nächsten Generation gibt es auch Versuche, konventionelle Kernkraftwerke sicherer und wirtschaftlicher zu machen. Ein US-Unternehmen will dies jetzt mit neuartigen Brennstäben erreicht haben.
Derzeit befinden sich weltweit 65 Atomreaktoren im Bau, und 173 weitere sind geplant. Vor diesem Hintergrund hofft die Atomkraftbranche, dass ihre lang angekündigte Wiederauferstehung näher kommt. Daneben aber gibt es die enorme Herausforderung, dafür zu sorgen, dass bestehende und neue Anlagen wirtschaftlicher werden.
Eine Möglichkeit dazu besteht darin, die Brennstäbe für Reaktoren sicherer und effizienter zu machen. Das Unternehmen Lightbridge aus dem US-Bundesstaat Virginia arbeitet seit einem Vierteljahrhundert an Technologien dafür. Jetzt hat es einen metallischen Brennstoff für Atomreaktoren vorgestellt, der diese Anforderungen erfüllen soll.
Die Lightbridge-Brennstäbe unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von konventionellen. Statt aus einem Keramikoxid von Uran bestehen sie aus einer Uran-Zirkonium-Legierung, die Wärme besser transportiert. Sie sind keine Röhren aus zylindrischen Uran-Pellets, sondern jeweils ein einzelnes Stück Metall, geriffelt wie ein Stück Süßholz und spiralförmig. Durch diese Form kann mehr Wasser über die Oberfläche des Brennstabs fließen, was mehr Wärme abführt und die Stromerzeugung erhöht. Gleichzeitig erhöht die größere Oberfläche die Sicherheitsmarge des Reaktorkerns, denn Kernreaktionen können dadurch bei deutlich niedrigeren Temperaturen ablaufen: Die interne Temperatur im Betrieb beträgt etwa 360 Grad Celsius, fast 900 weniger als bei konventionellen Brennstäben.
Neue Brennstäbe für sicherere Atomkraft
Das Ergebnis sind laut dem Lightbridge-CEO Seth Grae stärkere, sicherere und kostengünstigere Reaktoren, die in wenigen Jahren dazu beitragen könnten, die Emissionen von Treibhausgasen zu verringern. “Erneuerbare Energien allein werden nicht ausreichen, um unsere Klimaschutzziele rechtzeitig zu erreichen”, sagt er. “Auch neue Reaktortypen werden dafür nicht ausreichen. Eine intensivere Nutzung der heutigen Reaktoren und neuer konventioneller Reaktoren ist eine notwendige Komponente jedes erfolgreichen Wegs zur Erreichung der Klimaziele.”
Anfang dieses Jahres hat Lightbridge mit dem französischen Nuklearriesen Areva eine Zusammenarbeit zur Kommerzialisierung der neuen Brennstäbe vereinbart, die laut Grae schon im Jahr 2020 in bestehenden und neu gebauten Reaktoren eingesetzt werden könnten. Durch die Technologie soll die Leistung von bestehenden Atomkraftwerken um 10 Prozent steigen, und die Betriebszeit bis zum Brennelementwechsel (eine wichtige wirtschaftliche Kenngröße für Reaktoren) von 18 auf 24 Monate verlängert werden. Nach Angaben von Lightbridge würde der Austausch der konventionellen Brennstäbe bei einem 1100-Megawatt-Reaktor 60 Millionen Dollar an Zusatzeinnahmen pro Jahr bedeuten.
Die neuen Brennstäbe sind “eine deutliche Verbesserung gegenüber konventionellem Oxid-Brennstoff für konventionelle Reaktoren”, sagt Per Peterson, Professor für Nukleartechnik an der University of California in Berkeley und Leiter eines Teams, das an einem neuartigen Reaktor-Design arbeitet. “Dass die Lightbridge-Brennstäbe bei deutlich niedrigeren Temperaturen arbeiten, ist ein großer Sicherheitsvorteil.”
Niedriger Schmelzpunkt der neuen Brennstäbe
Laut Ian Scott, Mitgründer des britischen Unternehmens Moltex Energy, das einen neuartigen Reaktor mit Flüssigbrennstoff entwickelt, ist die Sicherheitsfrage jedoch komplizierter. Die hohe Wärmeleitfähigkeit des festen Brennstoffs bedeute, dass er sich bei einem vorübergehenden Ausfall des Kühlungssystems schneller abkühlen würde. Andererseits sei der Schmelzpunkt der Lightbridge-Brennstäbe viel niedriger als der von Uranoxid, so dass es viel schneller zu einer absoluten Katastrophe im Stil von Fukushima kommen könne.
“Im Augenblick wird stark darauf gedrängt, ‘unfalltolerante’ Brennstoffe für konventionelle Reaktoren zu entwickeln”, sagt Scott. “Dabei geht es um Brennstoffe, die bei einem auslegungsüberschreitenden Unfall sehr hohe Temperaturen besser verkraften als Uranoxid. Das Lightbridge-Konzept geht genau in die entgegengesetzte Richtung.”
Wie die Atom-Aufsichtsbehörden Sicherheit und wirtschaftliche Vorteile der neuen Brennstäbe beurteilen werden, muss sich erst noch zeigen. Ohne Frage aber könnten bestehende Reaktoren und neu gebaute nach konventionellen Designs innovative Brennstoff-Technologien gut gebrauchen.
“Die Verwendung dieser Brennstäbe bei Neubauten wird die Wirtschaftlichkeit von Kernkraft verbessern, was für die Branche insgesamt sehr hilfreich sein wird”, sagt Leslie Dewan, Mitgründer des Unternehmens Transatomic Power, das an einem Design für einen neuartigen Reaktor mit Flüssigbrennstoff arbeitet. “Die größte Unbekannte ist derzeit meiner Meinung nach, wie lange es dauern wird, sie zu zertifizieren.”
(Richard Martin)
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