Statt auf den Müll auf den Tisch: Die Smartphone-App des Start-ups FoodLoop zeigt Verbrauchern, wo es Lebensmittel kurz vor dem Verfallsdatum mit Rabatt gibt.
Günstig einkaufen und Gutes tun: Das war kurz gefasst die Idee von Christoph Müller-Dechent. “Wollen wir nicht Lebensmittel verkaufen, deren Haltbarkeit bald abläuft?”, fragte der damalige BWL-Student seine Kommilitonen während eines Seminars Ende 2012 zum Thema neue Geschäftsmodelle. Er wurde überstimmt, aber der Gedanke ließ ihn nicht mehr los.
Sein Motiv: Täglich landen etwa zwei Einkaufswagen Waren pro Aldi-Filiale auf dem Müll. Lebensmittel werden ? nicht nur bei diesem Anbieter ? häufig sehr früh aus den Regalen genommen: Milch sieben Tage, Eier elf und Schokolade sogar drei Monate vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Der Abfall entspricht einem monatlichen Nettoeinkaufswert von 12000 Euro, das ist etwa ein Prozent des Umsatzes. Allein bei Aldi summiert sich der Verlust auf über 250 Millionen Euro pro Jahr.
Ende 2013 präsentierte Müller-Dechent deshalb beim wichtigsten Businessplan-Wettbewerb des Rheinlands “FoodLoop”: Eine kostenlose App zeigt Verbrauchern via Smartphone, wo es Lebensmittel mit baldigem Ablaufdatum günstig gibt, mit Infos zum Produkt und der Entfernung zum Laden auf einer Karte.
Das System funktioniert aber nur mithilfe eines erweiterten Barcodes ? dem bereits 2008 entwickelten Databar. Der speichert zusätzlich zur Artikelnummer weitere Informationen wie Haltbarkeitsdatum und aktuellen Rabatt. Bei der Bestandskontrolle scannt der Händler den Barcode ein und stellt Produkte kurz vor Ablaufdatum mit reduziertem Preis online. Er hat mehr Erlös und finanziert über Lizenzgebühren die FoodLoop-Plattform.
So weit die Idee ? und die hatte offenbar einen Nerv getroffen. Das Team erhielt nicht nur ein Stipendium über 100.000 Euro vom Bundeswirtschaftsministerium, sondern gewann auch einen mit 75.000 Euro dotierten Preis bei einem EU-Wettbewerb für nachhaltige Apps. Damit konnte das Start-up die App programmieren und erste Kontakte zu großen Handelsketten knüpfen. Nach dem guten Start folgte jedoch die Frustration: Die wenigsten Hersteller haben bislang auf den erweiterten Databar umgestellt, auf dem Müller-Dechents Konzept basiert. Und den Händlern war der Zeitaufwand, den der Eintrag der Produkte bei FoodLoop kostete, schlicht zu hoch. “Uns fehlte einfach die nötige Branchenkenntnis”, gibt Müller-Dechent offen zu.
Dass FoodLoop auf Verbraucherseite funktioniert, bewies ein Pilotprojekt im Frühjahr 2015 mit einem Bonner Biohändler. 200 Studenten wurden per App über zwei Monate mit Angeboten versorgt. Das Ergebnis: zehn Prozent mehr Kunden, 800 Euro mehr Umsatz und eine Mülltonne Lebensmittel weniger im Monat. Doch auch dem Biohändler war der Aufwand zu groß.
Jetzt wird der Durchbruch gelingen, hofft Müller-Dechent. Ebenfalls mit EU-Mitteln konnte er die spanische Lebensmittelkette plusfrésc mit 70 Filialen für ein zweijähriges Projekt gewinnen. Das Neue dabei: FoodLoop liefert die Arbeitserleichterung gleich mit ? einen Handscanner mit integriertem Etikettendrucker und Smartphone-Verbindung der Firma Avery Dennison.
Dadurch lassen sich in einem Arbeitsgang Codes scannen, Rabatte eingeben und Etiketten drucken. Nun hat auch der Vorstand eines großen deutschen Discounters mit Müller-Dechent einen Termin geplant. Für den ambitionierten Start-up-Gründer erst der Anfang: “Bis 2020 wollen wir alle Supermärkte der Welt mit FoodLoop ausgestattet haben.” (Hans Dorsch) / (bsc)
Dieser Text ist der Zeitschriften-Ausgabe 12/2015 von Technology Review entnommen. Das Heft kann, genauso wie die aktuelle Ausgabe, hier online bestellt werden.
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